Stille.
Dunkelheit.
Und dann ...
plip
Ein Wassertropfen.
plip
Er sah sich um.
Konnte seine Hand kaum vor Augen sehen.
Wo war er?
Er überlegte ...
Dann kam die Erinnerung wieder - zusammen mit den Kopfschmerzen.
Schwankend richtete er sich auf.
Tastete sich an der Wand entlang.
Hier war doch irgendwo ein Lichtschalter ...

Während er durch's Zimmer taumelte, stieß er sich an verschiedenen Dingen.
Es gab ein Geräusch von Papierrascheln, Glas, das klirrte ...
zapp
Helles Licht durchflutete den Raum.
Er sah Stapel von Zeitungen, Klorollen und überall lagen leere Whiskeyflaschen rum.
Dort, wo er lag, war sein Bett.
Wenn man es denn als solches bezeichnen konnte.
Es war vielmehr ein etwas dicker gepolsterter Zeitungshaufen ...

Aber immerhin hatte er eine Wohnung.
Damit ging es ihm besser als manch einem anderen Arbeitslosen.

Wie konnte es nur soweit kommen?

Er ließ sich an der Wand hinabrutschen, tastete mit einer Hand unbewusst nach einer weiteren Flasche ...
Das würde die Kopfschmerzen erst einmal eine Weile wegspülen.

Dann kamen langsam die Erinnerungen.
Vor einiger Zeit war er noch ein gut betuchter Angestellter bei einer angesehenen Firma.
Doch dann geriet der Betrieb in's Schwanken, da sich die Leitung mit bedeutenden Angeboten verspekuliert hatte.
Infolge dessen musste ein Sparkurs eingeführt werden.

Ihn traf es auch.
Schneller, als er denken konnte, saß er auf der Straße.
Das traf ihn wie ein Schlag damals.
Die Arbeit war sein Ein und Alles gewesen.
Er hatte dafür gelebt.
Und nun das.

Doch nicht nur die Arbeit war weg.
Auch seine Frau verließ ihn mit den Kindern.
Alle ließen sie ihn im Stich.
 

So ist er denn nun allein in seiner Wohnung.
Mit der Zeit verwahrloste sie immer mehr ...
Aber solange er kein Aufsehen erregte, würde das Amt hier auch nicht vorbeisehen.
Er bemühte sich, die Rechnungen rechtzeitig zu bezahlen ...
Das Geld verdiente er sich mühsam auf der Straße - wenn er denn einmal 'rauskam.

Das war echt schwierig ...
Er musste ja schließlich halbwegs gepflegt aussehen ... und Frisör, Reinigung und so weiter waren ja auch nicht billig.
Manchmal kam er dann noch in Phasen, wo er echt keinen Schritt aus der Wohnung tun wollte.
Dann saß er in einer dunklen Ecke und lamentierte vor sich hin.
Das konnte Stunden dauern.
Die Rollläden waren ja schließlich auch ständig unten - er verlor in solchen Augenblicken oftmals jegliches Zeitgefühl ...

Doch genug davon!
Er rappelte sich wieder auf.
Die Flasche war nun auch schon wieder alle.
Achtlos warf er sie in eine Ecke.
Dann schlurfte er gen Schrank, suchte sich ein Hemd 'raus, welches noch nicht ganz so verknittert war und begann sich im Bad umzuziehen.
Nach einer kleinen Weile entriegelte er die Tür und machte sich auf den Weg nach draußen.

Der Tag war wieder einmal schrecklich grell.
Und dann noch die ganzen Menschen auf den Straßen!
Er zog das Hemd enger an den Leib und drängte sich durch die Menschenmenge, bedacht darauf, möglichst niemanden anzustoßen.
Nur nicht auffallen.
An der Ecke gab's ein Kiosk, wo er sich manchmal eine Zeitung schnorren konnte.
Doch heute war da ein anderer Verkäufer.
Verwirrt überlegte er einen Moment, wie er reagieren sollte.
Weitergehen oder doch um eine Zeitung bitten.
Doch noch ehe er sich entschieden hatte, wurde er von dem Verkäufer freundlich angelächelt.
Junger Mann, Sie wollen doch sicher unsere neue Zeitschrift probe lesen, habe ich recht?
Als Sahnehäubchen bekommen Sie zusätzlich noch einen Bogen mit Gutscheinen!

Irritiert blickte er sich um.
War tatsächlich er gemeint?

Nun kommen Sie schon!, meinte der andere.
Schon drückte er ihm eine Zeitschrift in die Hände.
Viel Spaß und einen schönen Tag noch!

So viel Freundlichkeit war er gar nicht gewohnt.
Höflichkeiten murmelnd entfernte er sich schnell.
Ein echt ungewöhnlicher Tag.

Achselzuckend machte er sich auf den Weg Richtung Park.
Wird wohl nicht wirklich was zu bedeuten haben, meinte er ...